Von klein und ängstlich zum Siegertyp

Sie ist zum ersten Mal dabei! Vier Jahre lang hat sie darauf hingearbeitet: Laura Strobel, 32, Chefbereiterin des Gestüts Vorwerk, hat sich das erste Finalticket ihrer Karriere fürs Finale des Nürnberger Burg-Pokals verdient – und das auch noch mit einem ganz besonderen Pferd…

dressursport.kim: Laura, bei Dir kommen viele ‚besondere Aspekte‘ zusammen mit Blick auf das Nürnberger Burg-Pokal-Finale 2025…

Laura Strobel: Ja, allerdings (lacht). Es ist mein erstes Finalticket und Alvarinho ist das erste Pferd, das ich von vierjährig bis zur St. Georg-Reife durchgehend ausbilden durfte – das ist wirklich besonders und dafür bin ich wahnsinnig dankbar. Und dann ist er auch noch von meiner Chefin, Elisabeth Max-Theurer, selbstgezogen. Alvarinho ist der letzte Nachkomme von August der Starke…

Ein besonderes Pferd, eine besondere Geschichte, ein besonderer Burg-Pokal-Sieger: Alvarinho GV
(©Hubert Fischer)

dressursport.kim: …der wiederum ein Erfolgspferd von Tochter Victoria Max-Theurer war – bis hin zu EM- und Olympia-Platzierungen – und dessen Sohn Augustin OLD 2007 das Burg-Pokal-Finale gewonnen hat. Das könnte schon mal ein gutes Omen sein. Zurück zu Alvarinho…

Laura Strobel: Ich habe ihn vierjährig kurz nach dem Anreiten bekommen. Er war sehr klein, schmal, hatte viel Angst und ziemlich viel von seinem Muttervater Jazz. Jazz-Nachkommen sind manchmal etwas bodenguckig, das war er auch. Ein Lichtstrahl auf dem Boden oder von der Sprenkleranlage ein etwas dunklerer Fleck und wir waren in relativ schneller Geschwindigkeit zehn Meter weiter (lacht). Aber er hatte von Anfang an einen sehr guten Schritt, unerschütterlich im Takt. Trab und Galopp waren natürlich auch schon sehr gut, aber es dauerte ein bisschen, bis er das unter dem Sattel auch so ausdrucksvoll zeigen konnte. Ich war viele Jahre bei Dorothee Schneider und habe bei ihr gelernt, jedes Pferd mit derselben Philosophie zu reiten und auszubilden. Also habe ich mit ihm angefangen und wir haben geguckt, wie er sich entwickelt.

dressursport.kim: Und? Wie hat er sich entwickelt?

Laura Strobel: Er brauchte seine Zeit. Fünfjährig bin ich einmal mit ihm in Ankum Dressurpferd-A geritten. Das war schlimm. Ich konnte ihn gar nicht rundherum reiten, er war so durcheinander. Und dann bin ich mit ihm nach Achleiten in Österreich zum Turnier meiner Chefin gefahren. Da habe ich zum ersten Mal gedacht: Jetzt kommt er zum Verstand. Ich hatte eine komplette Woche dort Zeit, habe ihm immer wieder alles in Ruhe gezeigt, war immer wieder mit ihm auf dem Viereck, habe mich sehr viel mit ihm beschäftigt – das war ein Game-Changer. Gerade mit Hengsten, mit dem ganzen Testosteron, ist es ja manchmal doch etwas schwieriger, aber diese Woche war eine super Übung für ihn.

Über vier Jahre zusammen und über sich hinaus gewachsen: Alvarinho und Laura Strobel

dressursport.kim: Eine super Übung, um ruhiger und konzentrierter zu werden, aber gelernt hat er schnell und nachhaltig?

Laura Strobel: Total, von fünf- auf sechsjährig hat er super einfach die Galoppwechsel gelernt. Das hat er innerhalb von einer Woche verstanden und nie wieder nachgefragt. Oder auch eine Lektion wie die Kurzkehrt. Da geht es um Körpergefühl und Verständnis – gar kein Problem. Und auch das Traben wurde immer besser. Je kräftiger er wurde, umso besser konnte er abdrücken, durch den Körper transportieren und zum Schwingen kommen. Hinzu kam natürlich auch, dass er sich immer mehr auf mich konzentriert hat und nicht immer mit einem Ohr und einem Auge woanders war.

dressursport.kim: Und Ihr hattet noch eine sehr gute Idee…

Laura Strobel: Ja, wir haben angefangen, ihn ein bisschen zu springen – in ihm steckt ja auch Argentinus-Blut. Aber vor allem hat ihm das sehr viel gebracht. Viele kleine Reihen und Cavaletti sind wir gesprungen und auf einem der Außenplätze steht immer ein kleiner Parcours, nicht höher als 80 Zentimeter, da bin ich immer mal mit ihm drüber –das mache ich auch heute noch. Das macht er gut und ich habe gemerkt, er lässt dabei im Körper los, traut sich auch mal, sich fliegen zu lassen und aus sich herauszukommen. Dadurch kann er dann wieder besser seinen Körper trainieren. Wenn sich die Pferde festhalten und auch aus dem Mentalen heraus ihren Körper stramm machen, dann ist das schwierig.

dressursport.kim: Weiter ging es mit der Entwicklung Richtung WM…

Laura Strobel: Siebenjährig bin ich mit ihm erst in Troisdorf und Achleiten die internationale Tour geritten – er hat alle Prüfungen gewonnen. Und dann waren wir auf der Weltmeisterschaft für junge Dressurpferde in Ermelo. Zu der Zeit war aber die Galopp-Tour noch etwas schwierig. Er hat eine sehr praktische Grundgaloppade. Hankenbeugung fällt ihm sehr leicht, aber in die Weite zu galoppieren und das dann auch zu tragen, das hat Zeit gebraucht. In dem Punkt hat er über den vergangenen Winter einen richtigen Sprung gemacht. Ich habe plötzlich gemerkt, ich kann ihn ‚stufenlos schalten‘. Ich kann groß galoppieren, klein und noch kleiner galoppieren – das kann ich jetzt wunderbar variieren.

dressursport.kim: Und letztes Wochenende kam München!

Laura Strobel: Genau, im April bin ich das erste Turnier seit Ermelo geritten, einen St. Georg in Elmlohe, aber da hatten wir noch Fehler. Und dann sind wir eigentlich ‚jungfräulich‘ ohne Erwartungen nach München gefahren und haben so gar nicht mit dem Sieg gerechnet. Ich bin vor zwei und vor drei Jahren jeweils einmal eine Quali Burg Pokal in München geritten, sonst noch nie. Und dann jetzt mit Alvarinho direkt ins Finale – das war und ist unfassbar! Wir waren uns immer sicher, dass er ein absolut besonderes Pferd ist, aber dass er das jetzt auch so im Viereck präsentiert – das macht uns unglaublich stolz.

dressursport.kim: Wer unterstützt Euch beide im Training?

Laura Strobel: Etwa einmal im Monat kommt Sebastian Heinze zum Training und den Rest mache ich mit meiner Kollegin hier auf dem Gestüt Vorwerk, mit Georgia Schulze Lefert. Sie hilft mir sehr viel.

dressursport.kim: Du kennst Frankfurt, Du bist schon zweimal dort mit Valparaiso in der Grand Tour am Start gewesen. Mit welchem Gefühl denkst Du an Deinen Einritt in die Festhalle mit Alvarinho?

Laura Strobel: Ich habe richtig Bock! Er hat noch nie so eine Siegerehrung wie in München erlebt, aber er stand da wie ein Denkmal und hat sich feiern lassen. Er wurde immer größer, je mehr die Leute geklatscht haben. Unglaublich wie aus einem solchen Angsthasen einer geworden ist, der sich von seinen Fans feiern lässt. Das macht mich optimistisch für Frankfurt. Ich werde noch ein, zwei Outdoor-Turniere und dann auf jeden Fall noch ein Hallenturnier mit ihm reiten. Bisher kennt er an Hallenturnieren nur Ankum und das war vor drei Jahren. Aber so wie er sich entwickelt hat, freue ich mich einfach nur. Ich werde auch noch nicht so viel mit Drei-Sterne-Lektionen anfangen, obwohl er sich dafür echt anbietet, aber wir lassen uns gerne viel Zeit und freuen uns jetzt auf jeden Fall erstmal auf Frankfurt!

Weitere Infos Nürnberger Burg-Pokal: www.nuernberger.com/pferdesport