Ü90-Podium, historische EM und Paris-Luft

Dreimal über 90 Prozent auf dem EM-Podest – das hat es noch nie gegeben. Das war historisch! Und es spiegelt genau diesen EM-Sonntag wider: gigantisch, einzigartig, extrem aufregend. Auf den ersten zehn Plätzen in der EM-Kür lieferten neun ein persönliches Bestergebnis ab.

Zugegeben: die Richter waren nicht knauserig, aber das Niveau war tatsächlich  genial und jeder Ritt schien den nächsten noch mal zu beflügeln, die Zuschauer hatten auch ihren Anteil.

Fotos: ©Hippofoto.be

72 mal hatte Jessica von Bredow-Werndl die 10 in ihrem Protokoll – wow! 92,818 Prozent sind zwar kein neuer Weltrekord (den halten noch immer Charlotte Dujardin und Valegro mit 94,30%), aber eine persönliche Bestleistung – trotz eines Fehlers. Jessica von Bredow-Werndl: „Der Fehler in den Einerwechseln ärgert mich nicht, weil der Rest der Prüfung einfach super war. Jetzt kommt es darauf an, worauf ich mich konzentriere. Also konzentriere ich mich auf die guten Sachen, aber natürlich, wenn der Fehler in den Einern nicht gewesen wäre, wäre es vielleicht eine sehr, sehr hohe Note geworden.” Das war es auch so und die Titelverteidigung! Für alle, die das Paar seit Jahren verfolgt haben: Noch nie war Dalera so gut wie bei dieser Europameisterschaft. Co-Bundestrainer Jonny Hilberath bringt es in seinem Interview (HIER) auf den Punkt: „Jessi ist so genau und präzise geritten wie immer, aber vielleicht mit noch etwas mehr Risiko. Durchlässigkeit, Harmonie, Selbsthaltung – davon ist nichts auf der Strecke geblieben, aber dazu ist noch etwas mehr Athletik gekommen.“ Jessis Wort der EM: DANKE – an das Team, ihre Familie, die Besitzerin von Dalera Beatrice Bürchler, und natürlich Dalera selbst!

Definitiv gut getan hat, die Weltmeister in der Kür wieder in Richtung ihrer WM-Performance zu sehen. In Grand Prix und Special hatten Charlotte Fry und Glamourdale so gar nicht daran anknüpfen können. Es wurde Silber mit 92,379 Prozent. Imhotep hat unter Charlotte Dujardin zum dritten Mal präzise abgeliefert: Bronze mit 91,396 Prozent.

Für einen sehr speziellen EM-Moment hat Isabell Werth mit Quantaz gesorgt. Auch er hat sich in allen drei EM-Prüfungen wirklich gut gezeigt – Tendenz von Tag zu Tag steigend. Und dann kam dieser Moment: aus der Galopp-Pirouette in die Piaff-Pirouette – in absoluter Perfektion! Das voll besetzte Stadion konnte ein Begeisterungsraunen nicht unterdrücken, Werth quittierte es mit einem breiten Lächeln ins Publikum und piaffierte weiter. Das war ein absoluter Hammer-Moment, der vollendete Durchlässigkeit demonstrierte. Platz fünf mit 88,407 Prozent, auch ein persönlicher Rekord. Isabell Werth: “Ich bin super glücklich, es war einfach toll! (…) Ich habe mich gefreut, dass sie es anerkannt haben. Ich habe irgendwann mal bei meiner ersten Europameisterschaft mit Gigolo starker Galopp und dann Pirouette angefangen. Das machen heute alle, das ist Standard, deshalb habe ich versucht, etwas zu machen, was noch keiner macht in der Form. Und ich glaube es ist zumindest in der Kombination und in der Anzahl der Schwierigkeiten gelungen.“

Das Ziel ist der nächste Sommer. Dann geht es darum, wer um den Eiffelturm reitet.“ Er hat einen Moment gebraucht, um sich nach der Kür wieder zu fassen. Frederic Wandres hatte sich bei der Präsentation seiner neuen Kür verritten, zweimal die Rechts-Traversale gezeigt, aber die linke nicht. So war er während der Kür damit beschäftigt zu überlegen, wo er die Links-Traversale noch einbauen kann. Das tat er ganz am Ende, etwas auf die Schnelle. Die Richter stellte er vor eine Herausforderung, die Lage wurde erklärt und Wandres wurde Neunter mit 84,568 Prozent – auch das trotz der ‘Komplikation’ ein personal best für das Paar.

Insgesamt ging es Wandres wie seinen Teamkolleginnen: Bluetooth wurde besser und besser. Nie zuvor ist er im starken Trab so durch die Diagonale geflogen, hinten weit drunter, vorne im Bergauf und in toller Anlehnung – das nur als Beispiel. Das Paar hat eine dicke Visitenkarte abgegeben und niemand auf dem Platz wird müde, an Paris in zehn Monaten zu erinnern, auch Wandres wedelt mit seinem neuen Glücksbringer, einem Armband mit einem kleinen Eiffelturm. „Paris ist mein Lebenstraum.“