Grand Prix oder Bundeschampionat – was fordert mehr?

…mit Bianca Nowag-Aulenbrock – Mitte August hat die 29-Jährige in Ungarn den Special mit Queolito und die Kür mit Florine OLD gewonnen, zwei Wochen später hat sie bei den Bundeschampionaten den siebenjährigen Quentin zum Titel geritten. Was ist für wen wann fordernder, mental anstrengender? dressursport.kim im Gespräch mit der Profi-Ausbilderin…

Das hat Spaß gemacht: Bianca Nowag-Aulenbrock nach ihrem Ritt beim Bundeschampionat mit Quentin 🙂

dressursport.kim: Wie ist es für Dich als Reiterin: Ist ein Grand Prix mental anstrengender als eine Jungpferde-Prüfung oder eher anders herum?
Bianca Nowag-Aulenbrock: Das kommt total auf die Umstände an. Natürlich ist der Grand Prix von den Lektionen deutlich anspruchsvoller und man muss vom Kopf her schneller sein. In jeder Ecke muss Du schon alles für die nächste Lektion wieder vorbereitet haben. Das ist in den Jungpferdeprüfungen anders. Wenn man aber ein junges Pferd unter dem Sattel hat, das von allem beeindruckt ist – und das kommt in dem Alter öfter vor – dann ist es für mich mental sicher nicht einfacher. Auch weil man das Drumherum immer mit im Auge hat. Wenn ich auf einem Grand Prix-Pferd sitze, bin ich mehr in einem kompletten Tunnel und fokussiere mich total auf die Aufgabe. Bei den jungen Pferde geht der Gedanke auch schon mal in die Richtung: Trabverstärkung in die Ecke, da hat er gestern etwas geguckt, da muss ich vielleicht am inneren Bein etwas mehr dranbleiben. Gefühlt braucht man da mehr Weitsicht, Augen und Ohren sind immer offen, damit der Youngster nicht vielleicht schnell mal in die andere Richtung abdreht, weil man nicht genug aufgepasst hat.

Es ist eine Gratwanderung: Man darf auch nicht anfangen, zu viel auf das Drumherum zu gucken.

Man ‚taktiert‘ mehr bei jungen Pferden. Weiß ich beispielsweise, dass mein Rechts-Links-Wechsel noch nicht so sicher ist, dann platziere ich ihn vielleicht mal einen halben Meter früher oder später, je nachdem, wo es dem Pferd leichter fällt oder wo weniger Ablenkung ‚lauert‘. Die Prioritäten sind bei mir anders in einer Jungpferde-Prüfung, aber nicht mental weniger fordernd.

 

Turnier- und Reise-erfahren: Florine OLD

dressursport.kim: Ganz entscheidend ist ja auch das Management während des Turniers vor Ort…
Bianca Nowag-Aulenbrock: Absolut. Mit den Älteren hat man schon seine festen Abläufe – so gestaltet man den Tag, so das Abreiten etc. Man hat einen Leitfaden. Nehmen wir mal Florine und Quentin als Beispiele: Mit Florine gehe ich immer morgens einmal früh ganz in Ruhe aufs Viereck, versuche viel mit ihr grasen zu gehen, wenn das möglich ist, mit ihr zu entspannen und lockere mit einem Magnetfeld-Laser immer ein paar Stunden vor der Prüfung noch mal den Rücken auf. Das sind alles Dinge, die sich über die Zeit mit ihr bewährt haben. Ich reite sie nicht viel länger als eine halbe Stunde ab, lege meine Schrittpausen ein und frage die Lektionen so bei ihr ab wie sie in der Prüfung vorkommen: Beim Grand Prix die neun Zweier von links und die 15 Einer von rechts, damit nichts durcheinander kommt. Bei einem Youngster, den man vielleicht das erste oder zweite Mal auf einem Turnier reitet, weiß man noch nicht viel: Ist er aufgeregt und introvertiert, steckt die Aufregung ‚in ihm fest‘ oder kommt bei ihm erst mal Stimmung auf, ist er entspannt im Stallzelt, frisst er auf dem Turnier normal etc. An diese Reaktionen muss man sich anpassen. Mit Quentin bin ich beim Bundeschampionat morgens erst in der Halle in Ruhe geritten, weil ich wusste, dass das Abreiten mit der ganzen Atmosphäre schwierig werden könnte – zumal er etwas Respekt vor anderen Pferden hat.

Bundeschampion Quentin – das Bauchgefühl hat richtig entschieden bei Bianca Nowag-Aulenbrock

Aber in der Halle wusste ich, dass ich so die Lösungsphase schon einmal in Ruhe erarbeiten und ihn reiten konnte. Und man kann schon mal spüren: Ist er ‚an‘, muss ich ihn etwas mehr reiten und ihn vielleicht zwei, drei Runden einfach mal galoppieren lassen? Das ist super spannend bei jungen Pferden – es kann so oder so kommen. Und dann kann es noch sein, dass man den Youngster einen Tag zwei-, dreimal rausgenommen hat, weil er etwas aufgeregt oder wach war, und am nächsten Tag ist es genau das Gegenteil, weil die Luft raus ist und die ganzen Eindrücke den Youngster vielleicht etwas müde gemacht haben. Dann muss man sich wieder was anderes überlegen. Mit Quentin hatte ich einen Tag zwischen den Prüfungen beim Bundeschampionat frei. An dem Tag habe ich ihn morgens früh ein bisschen geritten, wollte aber das junge Pferd nicht zweimal reiten, also war ich mit ihm fast zwei Stunden grasen. Das fand er super. Und dann habe ich ihn noch ohne Sattel an der Longe eine Viertelstunde joggen lassen. Bei Florine weiß ich genau, was sie braucht, bei Quentin muss ich das noch erfahren, erfühlen. Beim Bundeschampionat hat das super geklappt. Alles in allem ist es mental mit den jungen Pferden eher noch spannender, mental noch anspruchsvoller, weil man einfach weniger weiß.

dressursport.kim: Was ist anders, was ist gleich, wenn man sich auf einen Grand Prix oder eine Jungpferde-Prüfung vorbereitet – jetzt aufs Pferd bezogen?
Bianca Nowag-Aulenbrock: Vieles ist gleich. Für die jeweiligen Pferde ist das, was da von ihnen in der Prüfung verlangt wird, vergleichbar schwierig. Das Grand Prix-Pferd muss sich für 15 Einerwechsel beispielsweise genauso konzentrieren, wie ein Youngster, der gerade einen einzelnen Wechsel gelernt hat. Die Vorbereitung wird natürlich auf einem völlig anderen Schwierigkeitsgrad und mit anderen Schwerpunkten betrieben, aber für das Pferd im aktuellen Ausbildungsstand ist es ähnlich schwierig. Die Unterschiede liegen mehr in der Vorbereitung Zuhause.

Zeit miteinander, gerade mit den Youngstern zum Kennenlernen, ist unersetzlich.

dressursport.kim: Inwiefern?
Bianca Nowag-Aulenbrock: Mit einem jungen Pferd fahre ich häufiger auswärts zum Trainieren. Wenn die Jungen vielleicht zum ersten Mal in einer Kulisse wie auf dem Bundeschampionat gehen, versuche ich sie darauf vorzubereiten, auch wenn man es natürlich nicht genau nachstellen kann. Ich fahre mit ihnen auf verschiedene Plätze, nehme sie mit aufs Turnier, nur um auf dem Abreiteplatz mal ein paar Runden zu drehen, drehe das Radio mal etwas lauter und fordere die ein oder andere Situation heraus, damit die Pferde auf dem Turnier dann nicht völlig verblüfft sind. Mit den jungen Pferden versuche ich auch, die jeweilige Aufgabe zu Hause noch häufiger zu üben, damit sich das Pferd in der neuen Situation auf dem Turnier in der Aufgabe noch sicherer fühlt.
Der eine braucht diese Vorbereitung etwas mehr, der andere ist cooler und braucht sie weniger.
Die Grand Prix-Pferde kennen schon ein paar Plätze und Kulissen, kennen auch die Aufgabe schon mehr oder weniger auswendig und denen ist es im Zweifelsfall mehr oder weniger egal, ob am Viereckrand mal mit einem Weinglas angestoßen wird (lacht). Das ist bei den Bundeschampionaten eine echte Herausforderung: Wenn man abends noch sein Pferd trainiert, drumherum fast Partystimmung ist und die Menschen fast auf dem Viereck sitzen. Das kann man nicht simulieren, aber ich habe das Glück am DOKR trainieren zu können und da ist gefühlt immer Partystimmung – mit den Spring- und Buschreitern. So kann ich mit den Youngstern mal ‚ins Gewusel‘ zum Reiten fahren. Man kann es nie ganz wissen, aber so kann man die Pferde ein bisschen vorbereiten und etwas besser abschätzen, was dann vor Ort passieren könnte…

dressursport.kim: Hinzu kommt bei den jungen Pferden ja oft auch noch der Aspekt des ‚Übernachtens‘…
Bianca Nowag-Aulenbrock: Ja, das stimmt, die meisten Youngster übernachten auf den Bundeschampionaten zum ersten Mal auswärts. Bei mir kam in diesem Jahr noch dazu, dass ich Quentin noch nicht so lange kannte, deshalb ist das Bundeschampionat immer und in diesem Jahr für mich und Quentin besonders ein Sprung ins kalte Wasser.