Es geht um Demut, Zeit und Aperol
Die Philosophie von Juliane Brunkhorst am Beispiel von und mit Aperol. In Neustadt/Dosse hat der Holsteiner (mal wieder) abgeliefert…
Am Freitag gewannen sie, Juliane Brunkhorst und Aperol, den Grand Prix mit 71,821 Prozent, am Samstag die Kür mit 76,120 Prozent. Zehn Grand Prix-Starts, sieben Siege – die Bilanz 2024 des 13-jährigen Ampere-Sohns kann sich feiern lassen.
Pferde und Wein
Für Co-Bundestrainer Jonny Hilberath, der Juliane Brunkhorst im Training unterstützt, ist Aperol einfach zu beschreiben: Wie ein guter Wein, der im Alter immer besser wird. „Und das ist tatsächlich so“, unterstreicht Profiausbilderin Brunkhorst. „Ich merke bei allen Pferden und gerade bei Aperol, dass sie noch nicht am Ende der Entwicklung sind.“ In Neustadt hat sie mit dem Sensiblen wieder ein Schippchen aufs Gefühl draufgelegt: „Die Übergänge in die Piaffen und die Piaffen selbst – das hat sich wesentlich verbessert. Da hat er vorher vom Gefühl her immer noch ein bisschen die Luft angehalten, aber das jetzt schon selbstverständlicher. Zuhause geht das wunderbar, aber in Neustadt konnten wir es auch mit ins Viereck nehmen.“
Zeit heißt das Zauberwort
„Ich glaube, Pferde brauchen Zeit, vor allen Dingen Pferde wie Aperol.“ Seit gut drei Jahren ist der Holsteiner in ihrem Beritt. Sie habe ihn sehr bewusst bisher hauptsächlich innerhalb Deutschlands an den Start gebracht, auf nationalen und auch einigen internationalen Turnieren, aber noch nicht auf der ganz großen internationalen Bühne. „Es war früher schwierig für ihn beim Abreiten, gerade wenn viele Pferde auf dem Platz sind, wurde er angespannt. Er ist einfach super sensibel, er mag es überhaupt nicht, wenn es stressig wird.“ Dann sei er schnell in sich gekehrt und mache sich klein. Sie wünsche sich, dass er noch mehr Selbstbewusstsein bekommt, in die Prüfung geht und sagt ‚So, jetzt zeige ich mal, was ich kann.‘ Ein Prozess, der Zeit braucht. „Und ich möchte auch, dass er noch sicherer wird, dass wir noch besser das im Viereck zeigen können, was wir zu Hause schon können. Dafür brauche ich nicht weit zu reisen oder auf Fünf-Sterne-Turnieren zu starten. Das Ziel ist der internationale Sport, natürlich, aber erst, wenn er so weit ist. Wenn ich das Gefühl habe, ich kann das Trainingsgefühl mit aufs Turnier nehmen.“
Sehr gezielt habe sie sich die Turniere ausgesucht. Turniere, bei denen sie die Bedingungen kennt und weiß, dass sie beispielsweise genügend Platz zum Abreiten hat. „Aperol ist sehr sensibel. Wenn er einmal in eine Situation kommt, die ihn unsicher macht, dann hält er sich innerlich fest und man bekommt den Zug nach vorne nicht mehr.“ Er müsse sich auf dem Turnier sicher und wohlfühlen.
„Aperol ist einfach ein total liebes Pferd und er will absolut nichts verkehrt machen. Das ist besonders bei ihm. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er mich je in einer Prüfung hängengelassen hat. Er kämpft immer für uns als Team!“
„…immer demütig“
Ist es schwierig, den genau richtigen Zeitpunkt zu erwischen und zu sagen: Jetzt gehen wir auf das erste Fünf-Sterne-Turnier oder fahren nach XY? „Man bleibt durch die Pferde immer sehr demütig!“, betont Brunkhorst. „Und ich bin sowieso nicht der Typ, der größenwahnsinnig ist und nur auf die größten Turniere fahren will. Ich bin der Meinung, man muss einfach den Pferden die Zeit geben, die sie brauchen. Im Juni in Medingen hatte ich mit Aperol beispielsweise ein Gefühl in der Prüfung wie ich es zuvor noch nie mit ihm hatte. Und so bin ich jetzt zum Drei-Sterne-CDI nach Neustadt gefahren. Ich könnte nicht am Anfang des Jahres einen Plan für das ganze Jahr machen, ich muss sehen, wie sich die Pferde entwickeln und wie es am Ende für das Pferd am besten ist.“
Normalerweise reite sie nicht gerne zwei Turniere direkt hintereinander, aber am nächsten Wochenende ist für Aperol ein Start auf dem Anakenenhof geplant, direkt nach Neustadt – warum? „Er ist dieses Jahr erst fünf Turniere gegangen“, erklärt Brunkhorst. „Ich denke, ein paar Turniere und Erfahrung darf er noch mitnehmen. Und ich plane gerne so, wenn es passt, dass ich mit ihm nicht zu weit weg von Hamburg starte, damit seine Besitzerin mitkommen kann.“ Auch in Neustadt am vergangenen Wochenende war die 87-jährige Heidi Blom dabei. Blom ist nicht nur Aperols Besitzerin, sie hat den großen Braunen auch selbst gezogen und ist sein größter Fan. Auf dem Anakenenhof – der übrigens nur rund vier Kilometer von Brunkhorst entfernt ist – wird Aperol erneut seine ‚Cirque du Soleil-Kür zeigen, mit der er gerade in Neustadt gewonnen hat. „Ich hatte erst an eine neue Kür gedacht, aber die Kür passt zu ihm und alle lieben die Musik, ich auch – besonders die Stelle, wenn ich den starken Galopp reite.“