Frederic Wandres: ‘Es gibt keine Schablonen!’

Mit Frederic Wandres über den Atlantik – von ‘da kribbelt was’, klaren Visionen, die nicht verraten werden, und dem auf den Sommer zugeschnittenen Bluetooth-Programm .

Frederic Wandres verbringt die Wintermonate – wie viele andere Reiter aus Europa – zum vierten Mal in Wellington. Er hat mit Joy Game ein neues Pferd dabei, woran nicht zuletzt seine Kollegin Nicole Wego-Engelmeyer ‘schuld’ ist. Bei dressursport.kim lassen wir ‘Freddy’ Wandres aus dem Nähkästchen plaudern – heute, in Teil I, geht es um Wellington und seine Reise und Visionen mit Joy…

Joy Game und Frederic Wandres – auf gemeinsamer Reise. (©Lily Forado)

Frederic Wandres: „Wir sind jetzt gut vier Wochen hier in Wellington und tasten uns langsam (!) in die warmen Temperaturregionen vor. Am ersten CDI-Wochenende musste der Grand Prix sogar für zwei Stunden unterbrochen werden, weil sich das Wetter so schnell geändert hat und wir plötzlich ein handfestes Gewitter hatten – und wie! Das ist auch Florida 🙂

Wir sind jetzt im vierten Jahr hier und bisher sieht es so aus, als ob wir einen recht nassen Wellington-Winter erleben werden. So schlimm wie es in Deutschland mit den ganzen Überflutungen war, war es hier natürlich nicht. Hier regnet es einmal richtig und dann steht alles kurz unter Wasser, gefühlt ganz Wellington – außer unserem Reitplatz glücklicherweise. Wir haben riesiges Glück mit unserem Boden, der ist super. Eine Halle ist auch geplant, aber darauf müssen wir noch ein Jahr warten 🙂

Ich hatte am ersten Wochenende den Einstieg im nationalen Grand Prix mit dem zehnjährigen Joy Game. Joy ist ein Sohn von Davino mal Gribaldi. Ich habe ihn Ende vergangenen Sommers von meiner Kollegin Nicole (Wego-Engelmeyer) übernommen. Nicole hatte mich schon häufiger angesprochen, ob ich ihn nicht mal ausprobieren möchte. Sie meinte, er könne zu mir passen. Ich habe sie tatsächlich ein paar Mal ‚vertröstet‘, weil ich mich erst mal auf die Europameisterschaft konzentrieren wollte. Aber Nicole hat nicht locker gelassen (lacht). Dann habe ich Joy ausprobiert, habe ihn etwa zehnmal geritten und gleich die Inter II in Ankum geritten – Nicole hatte ihn schon top für Inter II-Niveau vorbereitet. Das hat direkt gut geklappt, wir hatten auf Anhieb fast 75 Prozent. Und so haben wir uns entschlossen, ihn mit nach Wellington zu nehmen. Ich hatte sehr schnell das Gefühl, dass etwas in dem Pferd steckt, was zu mir passen könnte. Das hatte Nicole super erkannt – danke, Nicole!

Joy und ich haben uns jetzt also auf unsere Reise begeben. Wenn man ein neues Pferd bekommt, muss man sich ja immer erst herantasten und fühlen, wie man zueinander findet. Welches die Wege sind, die für beide passen? Wo gibt es Grenzen? Wo gibt es spielerisch noch schnelle Luft nach oben? Wo muss man sich sehr viel Zeit nehmen? Das alles zusammen ist total spannend. Für jedes Pferd den individuellen Weg zu finden – das macht es aus! Es gibt einfach nicht die Lösung, die Schablone für jedes Pferd. Manchmal hat man das Glück, dass man zu dem Weg mit einem vorherigen Pferd Parallelen ziehen kann. Es gibt ähnliche Aspekte, aber es ist nie genau gleich – das ist der besondere Kitzel, der mich fasziniert. Bei Joy habe ich auf jeden Fall das Gefühl, da kribbelt irgendwas zwischen uns!

So ist es auch bei Joy: Es gibt ein, zwei Punkte, die ich ähnlich schon mal bei anderen Pferden hatte, aber bei anderen Sachen ist er wieder völlig individuell. Mir hilft natürlich inzwischen die Erfahrung, die ich auf vielen verschiedenen Pferde sammeln konnte. Mit dieser Erfahrung kann man versuchen, Fehler zu vermeiden, die man vorher vielleicht gemacht hat, und man kann es hoffentlich immer noch ein bisschen besser machen.

Aber: Man darf sich nicht stressen, auch wenn man ein klares Ziel vor Augen hat. Ich habe eine klare Vision mit diesem Pferd, die ich nicht genauer verrate (grinst), und jetzt schau ich in Ruhe, wie ich mich mit Joy auf diese Reise machen kann und was uns auf dieser Reise noch an Höhen und Tiefen begegnen wird – das gehört alles dazu :-)”

 

Morgen, in Teil II, weiht uns Frederic Wandres in seine Visionen mit Joy ein, spricht über die ‘Detail-Hausaufgaben’, die er von der Bundestrainerin per Videoschalte für Bluetooth über den Atlantik bekommt, und über minutiös abgestimmte Herausforderungen in Wellington…