Das Thema: Anlehnung!

Es gibt ein Thema, das mich in den vergangenen Monaten vermehrt beschäftigt: das Thema Anlehnung, Punkt drei der Ausbildungsskala. Alles, was mir durch den Kopf geht, ist nicht neu, aber es scheint, als ob jeder dem anderen den Ball ins Spielfeld rollt.

Da sieht man Pferde im Grand Prix-Viereck, bei denen von weicher, federnder Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul nicht die Rede sein. Die Mäuler sind offen, die Verbindung zur Reiterhand extrem stramm, der Unterhals drückt oder/und Pferde heben sich nach oben heraus. Es ist tatsächlich zeitweise so weit, dass die Reiter kaum noch zum Sitzen kommen, weil der Druck an der Hand so groß ist. Es ist davon auszugehen, dass kein Reiter gewollt mit diesen Phänomen durch einen Grand Prix reitet. Die Frage ist: Wo setzt man an?

• Erster Gedanke – und jetzt knüpfe ich an ‚My Monday‘ vom 11. September an: Nicht selten beenden Pferde mit deutlichem Anlehnungsproblem eine Aufgabe im hohen 60er- oder sogar beginnenden 70er-Prozentbereich. Aber passt da überhaupt je bei einer Lektion eine 7, wenn das Maul fest, unruhig oder das Pferd deutlich hinter der Hand ist? Es ist auch nicht vorstellbar, dass zwar das Maul, die Anlehnung problematisch ist, aber der Rest des Pferdekörpers locker durchschwingend. Probleme im Maul spiegeln sich immer im ganzen Körper des Pferdes wider. Natürlich ist Anlehnungs-Problem nicht gleich Anlehnungs-Problem. Leichte Unruhe in der Anlehnung bei einem jungen, vielleicht noch etwas aufgeregten Pferd ist sicher anders einzuordnen, als das kontinuierlich weit gesperrte Maul eines 15-Jährigen. Dennoch: die 7 oder sogar 70 Prozent scheinen in solchen Fällen häufig zu viel. Müssen also die Richter in solchen Fällen weniger Punkte vergeben?

• Zweiter Gedanke – wird im Training zu wenig auf die Anlehnung geachtet? Ich glaube, es ist jedem Reiter schon mal passiert, dass sich das Pferd während einer Prüfung aus irgendwelchen Gründen aufgeregt oder unwohl gefühlt hat und die Anlehnung darunter gelitten hat. Das kann passieren. Es gibt auch Pferde, die sich schnell selbst zu eng machen, gerade, wenn sie sich besonders anstrengen wollen. Im Übereifer beispielsweise. Manchmal dauert es Jahre, bis man die Pferde überzeugt hat, auch in der Prüfung stabil vorne am Gebiss zu bleiben. Wichtig ist, dass man das Thema im Training nicht zur Seite schiebt. Und: Das Thema Anlehnung hängt natürlich nicht nur mit dem Pferdekörper zusammen, sondern auch mit dem des Reiters. Müssten Trainer vermehrt den vielleicht manchmal unangenehmen Gedanken ins Training bringen, dass die körperliche Fitness des Reitschülers einfach nicht gut genug ist, um mit sanfter, konstanter Anlehnung zu reiten?

• Dritter Gedanke – dem Reiter ist die Anlehnung nicht so wichtig? Wichtiger sind Grand Prix-Lektionen. Es mag mehr Spaß machen, Pirouetten und Piaffen zu üben, als immer wieder an der Anlehnung zu arbeiten. Aber machen Piaffen wirklich Spaß, wenn sie nicht durch den Körper schwingen, wenn das Pferd sich dabei vorne aufs Gebiss legt oder nach oben rausdrückt. Das kann mal kurzfristig passieren, aber wenn dieser Fall zum Regelfall wird, muss man vielleicht doch auf die großen Auftritte im Viereck erst mal verzichten und sich zu Hause der Basis widmen. Die schonungslose Eigen-Analyse tut oft am meisten weh, ist aber nötig.

Es geht hier um vehemente Anlehnungsprobleme, die man bei einigen Paaren über Monate (Jahre) beobachten kann, ohne dass sich etwas verändert. Pferde, die sich unter ihrem Reiter im Viereck sichtbar unwohl fühlen. Es sind Ausnahmefälle, aber man darf sie nicht ‚übersehen‘. In solchen Fällen müssten alle drei ‚Gewerke‘, Richter, Trainer, Reiter, dringend besser ineinandergreifen und konsequenter handeln.

kik