“Wir müssen vorsichtig sein!”

Hubertus Schmidt zum Thema Hobby Horsing – das Interview bei dressursport.kim…

Hubertus Schmidt ist nicht ‚nur‘ Reitmeister, Mannschafts-Weltmeister und Vize-Einzel-Europameister und einer der weltweit bekanntesten Grand Prix-Ausbilder, seit Mai 2023 ist er auch Präsident des Deutschen Reiter- und Fahrer-Verbandes (DRFV). Genau in dieser letztgenannten ‚Rolle‘ drückt er seine Befürwortung, aber auch Befürchtungen zum Thema ‚Hobby Horsing‘ aus.

dressursport.kim: Hobby Horsing ist nicht teuer, macht Kindern Spaß, birgt überschaubares Verletzungsrisiko und führt an den Pferdesport heran – das klingt eigentlich wie eine rundum gelungene Idee?
Hubertus Schmidt: In vielen Punkten stimmt das, aber ich denke, wir müssen in einigen Punkten vorsichtig sein. Wenn man bei Kindern im Kindergarten- oder vielleicht noch im Grundschulalter damit Interesse am Pferd weckt, halte ich das durchaus für eine gute Idee, aber nicht für Jugendliche oder junge Erwachsene mit 15 oder 18 Jahren. Das halte ich eher für kontraproduktiv, das führt eher vom Pferd weg.

dressursport.kim: Warum?
Hubertus Schmidt: Wir sind uns, denke ich, einig: Der Sinn ist, Kinder und Jugendliche zum Pferd, zum Reitsport zu führen. Das muss ja der Grundgedanke sein, wenn sich die FN, unser Dachverband der Reiterei, dieser Sache annimmt. Aber dieses Ziel sollte spätestens mit zehn oder zwölf Jahren erreicht sein. Wer mit 16, 17, 18 noch nicht zum Pferd hingeführt wurde, für den eröffnen wir praktisch eine parallele Turnierwelt, die in die Pferdesportwelt integriert wird – mit allem, was ein Turnier auch ausmacht: Geselligkeit, etwas zusammen erleben, sich messen. Alles ohne Pferd. Diese jungen Erwachsenen sehen ja gar nicht mehr die Notwendigkeit, sich wirklich dem Pferd zuzuwenden und sie wissen nicht, was ihnen dann entgeht, weil sie es nicht erlebt haben. Das hat dann nichts mehr mit der Hinführung zum Pferdesport zu tun.

dressursport.kim: Der Gedanke zum Hobby Horsing entstand natürlich nicht zuletzt, weil die Nachwuchszahlen im Pferdesport, wie in vielen anderen Sportarten auch, rückläufig sind…
Hubertus Schmidt: Das große Problem ist, dass wir nicht genug Schulpferde und -ponys und Schulbetriebe haben. Es werden also gar nicht genug Möglichkeiten angeboten, Reiten zu lernen. Da sehe ich die Chance, dass Hobby Horsing eine Überbrückung sein kann. Im Kindergartenalter wecke ich mit Hobby Horsing das Interesse und wenn die Kinder dann mit acht, neun oder zehn Jahren anfangen wollen zu reiten, aber noch keinen Platz in einer Reitschule bekommen haben, dann können sie diese Wartezeit mit Hobby Horsing überbrücken. Immer mit dem Ziel, so bald wie möglich, aufs Pferd umzusteigen. Natürlich kann man in dieser Überbrückungszeit schon wunderbar beispielsweise Hufschlagfiguren mit Hobby Horsing erlernen, die Zeit also als theoretische Vorbereitung nutzen, aber dann muss das Pferd ins Spiel kommen.

dressursport.kim: Bei der FN schwebt auch der Gedanke im Raum, Trainerlizenzen und Abzeichen im Bereich Hobby Horsing einzuführen. Was sagen Sie dazu?
Hubertus Schmidt: Wenn ein solches Abzeichen im Raum steht, dann muss es aus Sicht des DRFV verpflichtend sein, dass ein Teil der Prüfung am lebenden Pferd stattfindet. In der Vorbereitung könnte das in kleinen Gruppen am Pferd stattfinden. Fünf oder acht Kinder jeweils eine halbe Stunde und das einige Male, um auf diese Prüfung vorzubereiten. Und dann sollten grundlegende Dinge am Pferd beigebracht werden, zum Beispiel: Nicht von hinten nähern, putzen, vielleicht Hufe auskratzen, brave Pferde oder Ponys auch mal führen. Ähnliches gilt für das Ausstellen einer Trainerlizenz, auch da muss das lebende Pferd eine Rolle spielen. Wir müssen immer vor Augen haben: Wenn der Dachverband der Reiterei Trainerlizenzen oder Abzeichen vergibt, darf das lebende Pferd nicht fehlen. Die tatsächliche Hinführung zum Pferdesport muss klar erkennbar bleiben.

dressursport.kim: Nächster Gedanke: Hobby Horsing soll in die Ausbildungs-Prüfungs-Ordnung mit aufgenommen werden. In der APO regelt die FN die gesamte Ausbildung im Pferdesport. Gehört die Ausbildung am Steckenpferd dazu?
Hubertus Schmidt: Wir müssen hier klar sagen: Hobby Horsing hat nichts mit Reiten oder der Ausbildung von Pferden zu tun, deshalb ist es in der APO falsch am Platz. Wenn überhaupt, könnten wir uns eine Aufnahme in die WBO (Wettbewerbsordnung) vorstellen. Die WBO regelt die Durchführung von breitensportlichen Veranstaltungen, da würde Hobby Horsing besser hinpassen als in die APO.

dressursport.kim: Wenn man sich umhört, scheint die Rückmeldung der einzelnen Landeskommissionen zum Thema Hobby Horsing durchaus positiv besetzt zu sein. Wie erklären Sie sich das?
Hubertus Schmidt: Hier darf man auch den finanziellen Aspekt nicht außer Acht lassen. Ein Hobby Horsing-Wettbewerb ist mit relativ geringem Aufwand durchzuführen und für jeden Start wird eine Startgebühr erhoben. Das ist natürlich für Vereine auch eine Quelle, um Geld zu verdienen – das brauchen wohl alle Vereine – und um neue Mitglieder zu generieren. Deshalb noch einmal: Für Kindergarten- oder Grundschulkinder – ja. Aber dann muss damit Schluss sein, dann muss das lebende Pferd mit in Aktion kommen.
Wir beim DRFV sind definitiv der Meinung, dass sich der Dachverband der Reiterei in Frage stellt, wenn er nahezu erwachsene Menschen mit Steckenpferden integriert und Trainerlizenzen und Abzeichen vergibt, ohne dass das Pferd überhaupt eine Rolle spielt? Dann hätten wir es eher mit einer eigenen Sportart zu tun, die im Turn- oder Gymnastikverband anzusiedeln wäre. Es gibt sogar Ideen, dass man die Steckenpferde eintragen lassen kann wie richtige Pferde. Das geht nicht. Ich möchte nicht sagen, damit macht sich ein Dachverband, der Reiter und Pferde betreut, lächerlich, aber ich halte den Weg erstens für falsch und zweitens für gefährlich in der Außenwirkung. Das Ziel muss klar im Vordergrund stehen: die Hinführung zum Pferdesport.