“Wir kennen die Geschichte von jedem Pferd.”

Bluetooth, Vitooth, Zauberflöte und Frederic Wandres – wenn Zahnräder spannend ineinandergreifen…

Frederic Wandres ist Mannschafts-Olympiasieger und -Europameister, aber er gehört auch zum 18. Mal zum Auktionsteam auf dem Hof Kasselmann. Wie erlebt er die Vorbereitung der Pferde für die P.S.I. Auktion? Warum sitzt er dieses Jahr bei der Auktion nicht selbst im Sattel? Und was hat Bluetooths Mutter bzw. Urgroßmutter mit der Auktion 2025 zu tun?

Foto-Shooting mit Vitooth (li), Halbbruder von Bluetooth (Mitte), Frederic Wandres und Zauberflöte.

dressursport.kim: Du sagst, die Vorbereitung auf die P.S.I. Auktion verläuft ganz anders als bei anderen Auktionen, beispielsweise bei Verbandsauktionen – warum?

Frederic Wandres: Wir haben einen riesigen Vorteil im Gegensatz zu anderen Auktionen. Normalerweise werden die Pferde zwei bis drei Wochen vor der Auktion angeliefert, dann hat man nicht viel Zeit, den Zugang zu dem Pferd zu bekommen. Das ist oftmals schwierig. Bei uns sind 90 Prozent der Auktionspferde selbst gezüchtet, im Gestüt Lewitz oder im Gestüt Osthoff, was zum Hof Kasselmann gehört. Sie wachsen bei uns auf, werden bei uns angeritten und so weit ausgebildet, bis die Auktion ansteht. Wir kennen die Geschichte von jedem Pferd. Ich nehme mal als Beispiel die Zauberflöte. Zauberflöte, eine vierjährige Tochter v. Zenon aus einer San Amour-Mutter gezogen, habe ich seit Ende dreijährig unter dem Sattel. Ich habe mich ein ganzes Jahr in Ruhe mit ihr beschäftigt und kenne sie fast schon in- und auswendig. Das ist eine ganz andere Art, ein Pferd für eine Auktion vorzubereiten.

dressursport.kim: Die meisten Auktionspferde sind junge Nachwuchspferde – welche Rolle spielt das bei der Vorbereitung?

Frederic Wandres: Ich arbeite jetzt 17 Jahre für den Hof Kasselmann, habe also schon 17mal die Auktion mitgeritten und immer wieder festgestellt, dass die jungen Pferde in der Mitte des Jahres noch mal wachsen und dadurch im Sommer häufig einen kleinen Durchhänger haben. Am Ende des Jahres kann das wieder ganz anders aussehen. Aber: Es kann auch mal genau andersherum passieren. Manche Pferde haben ihren Peak im Sommer und verlieren ein bisschen zum Ende des Jahres, weil sie dann ihre Wachstumsphase haben. Wenn man die Pferde langfristig begleitet, kann man das natürlich viel besser einschätzen und für das Pferd individuell damit umgehen. Bei manchen Pferden entscheiden wir dann auch, dass es noch ein Jahr zu früh für die Auktion ist. Die behalten wir dann noch bei uns. Das ist natürlich ein Luxus, den kaum ein Auktionsveranstalter sonst umsetzen kann.

dressursport.kim: Apropos Zauberflöte – Du wirst sie nicht selbst bei der P.S.I. Auktion präsentieren?

Frederic Wandres: Genau, das wird Lars (Ligus) machen. Wir arbeiten immer sehr eng zusammen. Wir tauschen auch manchmal unsere Berittpferde, wenn der eine sein Pferd mal von unten sehen möchte, der andere eine Frage hat oder eine andere Meinung möchte. So kennt Lars die Zauberflöte auch schon über das ganze Jahr, hat einige Male auf ihr gesessen und wird das Vorreiten auf der Auktion übernehmen. Ich mache das aus mehreren Gründen nicht selbst: Zum einen bin ich während der Auktion sehr stark in die Kundenbetreuung eingebunden. Das ist gerade während der Präsentation sehr zeitintensiv und da möchte ich auch für die Kunden da sein. Außerdem spreche ich meistens die Live-Präsentation der Dressurpferde für unsere englischsprechenden Kunden. Und dann kommt noch hinzu, dass ich drei Tage nach der Auktion nach Frankfurt zum Top 12 Dressage Final aufbreche – das ist der abschließende Höhepunkt unseres Jahres. Da möchte ich natürlich gut mit Bluetooth performen, mich gut vorbereiten und darauf konzentrieren können. Mit all dem im Hinterkopf ist diese Aufteilung, denke ich, sehr sinnvoll, Lars reitet, ich kümmere mich um die Kunden und Frankfurt.

dressursport.kim: Wie ist das, wenn sich ein von Dir über ein Jahr ausgebildetes Pferd wie die Zauberflöte bei der Auktion präsentiert und die Gebote beginnen. Bist Du nervös?

Frederic Wandres: Na klar, da habe ich auf jeden Fall erhöhten Puls. Man hat natürlich einen Bezug zu dem Pferd und denkt im Vorfeld, dass man ungefähr einschätzen kann, wohin die Reise geht. Man hat vielleicht auch schon den einen oder anderen Kunden angesprochen, bei dem man denkt, er könnte gut zu dem Pferd passen. Man möchte ja nicht nur, dass es dem Pferd gut geht, sondern auch, dass sich Reiter und Pferd miteinander wohlfühlen. Irgendwie hat man sicher auch eine Idee im Kopf, wo das jeweilige Pferd preislich landen könnte, aber am Ende – das lehrt die Erfahrung – kommt das ganz oft völlig anders als erwartet (lacht). Da ist eine Auktion einfach eine Auktion und es spielen ganz viele Faktoren eine Rolle.

dressursport.kim: Faktoren wie …?

Frederic Wandres: … das Jahr, die Stimmung, das Interesse an dem jeweiligen Pferd, das Interesse der Kunden etc. Wenn Zwei sich in dasselbe Pferd verguckt haben, kann das den Preis natürlich hochtreiben. Oder man hat ein wirklich gutes Pferd und der Funke springt mal nicht richtig über. Es kann alles passieren.

dressursport.kim: Zum 18. Mal bist Du in die P.S.I. Auktion involviert – was hat sich im Lauf der Jahre verändert?

Frederic Wandres: Ein auffälliger Unterschied ist, dass vor zehn, 15 Jahren schon sechs bis acht Wochen vor der Auktion die Interessenten zu uns auf den Hof kamen, um die Pferde anzusehen und eventuell auszuprobieren. Inzwischen geht das eigentlich erst hauptsächlich 14 Tage vor der Auktion los. Dann gehen die Pferde ins Auktionszentrum nach Ankum und da reisen die Interessenten an. Ich glaube, das liegt an der Veränderung der Medienlandschaft. Heute kann man sich die Pferde zuvor auf Videos, bei Clipmyhorse oder in Social-Media-Beiträgen ansehen. Man kann sich praktisch alle Informationen, Fotos und Videos im Internet beschaffen. Das war vor 15 Jahren noch nicht so. Da musste man noch überall hinfahren und sich die Pferde vor Ort anschauen.

dressursport.kim: Ist diese Entwicklung eher als Vor- oder als Nachteil zu betrachten? Was meinst Du?

Frederic Wandres: Ich würde sagen, dass die Käufer heutzutage ein noch kompletteres ‚Bild‘ von den Pferden bekommen. Sie können sich unwahrscheinlich viele Informationen beschaffen und das über eigentlich das ganze Leben der Pferde. Der Verkäufer muss heutzutage alle Karten auf den Tisch legen – und das soll auch so sein. Früher konnte man als Verkäufer vielleicht noch mal das ein oder andere ‚kaschieren‘, das geht heute nicht mehr. Ich denke, das ist für die Käufer ein klarer Vorteil.

dressursport.kim: Dein aktueller Topstar Bluetooth ist auch einst über die P.S.I. Auktion gegangen und kam dann über Umwege wieder unter Deinen Sattel…

Frederic Wandres: Bluetooth ist dreijährig über die P.S.I. Auktion in russischen Besitz verkauft worden und hat damals eine Million Euro gekostet, das war 2013. Er war bei den Bundeschampionaten und Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde erfolgreich, war Dritter im Nürnberger Burg-Pokal-Finale und Louisdor-Finalist unter Ingrid Klimke. Im Frühjahr 2020 habe ich ihn übernommen. Sehr spannend finde ich, dass wir aus der Mutter von Bluetooth, aus der Lorena, wir jetzt wieder ein Pferd im P.S.I.-Lot haben. Das ist übrigens noch ein Vorteil: Dadurch, dass wir den Großteil der Pferde selbst züchten, bekommen wir aus den bedeutenden, durchgezogenen Mutterstämmen von Gestüt Lewitz und Gestüt Osthoff immer wieder sehr gute Pferde. Aus Bluetooths Mutter haben wir jetzt einen vierjährigen Nachkommen von Vivino im Aufgebot, Vitooth. Da schaue ich natürlich genauer hin. Das Pferd ist sehr rittig, genau wie Bluetooth. Das scheint von der Mutterseite zu kommen. Und die Urgroßmutter von Bluetooth, also die Oma der Mutter, ist die bekannte Loretta. Die Stute ist wiederum die Mutter von Sandro Hit und Diamond Hit. Die Genetik ist über Generationen aufgebaut, das ist sehr spannend und verspricht immer wieder sehr gute Pferde.

***Am Samstag, 6. Dezember, werden die Auktionspferd live in Ankum präsentiert. Weitere Infos unter www.psi-auktion.de