“…und wenn noch jemand vom Himmel fällt…”

Die EM-Analyse mit dem Ausblick auf Paris von Cheftrainerin Monica Theodorescu…

“Wir sind zwar als Titelverteidiger angetreten – das hat nicht geklappt – dennoch bin ich, sind wir im Trainer- und Betreuer-Team sehr zufrieden, wie sich unsere Pferde und Reiter gezeigt haben. Wir hatten sechs persönliche Bestleistungen, was bei einem Championat natürlich nochmal besonders ist.

Ich möchte kurz auf unsere vier Paare im EM-Rückblick eingehen:

 

© Hippo Foto Media / Dirk Caremans

• Beginnen wir mit dem Jüngsten, Thiago unter Matthias (Rath). Thiago hat gezeigt, was in ihm steckt und ließ erkennen, was ich mir in den nächsten Jahren von dem Pferd erhoffe. Er ist in diesem Jahr kontinuierlich besser geworden, gereifter und konzentrierter bei der Sache. Thiago hat sehr viel Temperament und eigenen Willen, aber er ist auch mit viel Talent gesegnet und das konnte Matthias im Rahmen der Europameisterschaft schon sehr gut zeigen. Besonderes Talent hat er für die versammelten Lektionen: Passagen, Piaffen und Pirouetten fallen ihm nicht besonders schwer und wenn Matthias das bald noch mehr ausreiten darf, dann wächst da ein sehr gutes Pferd heran. Natürlich gilt es, weiter die Grundlagen zu verbessern, was Anlehnung und Schwingung durch den ganzen Körper betrifft. Thiago ist ein kurzes Pferd und sehr temperamentvoll, aber er lernt immer besser, seinen Übermut im Zaum zu halten. Bei der Schlusslinie im Special war es schlicht und ergreifend ein Missverständnis zwischen Reiter und Pferd welches natürlich zu erheblichen Abzügen in der Notengebung geführt hat. Pferd und Reiter haben vom Trainingslager und den Tagen bei der EM sehr viel mitgenommen und sich noch einmal deutlich weiter entwickelt.

 

© Hippo Foto Media / Dirk Caremans

Bluetooth hat unter Frederic (Wandres) einen Riesensprung in diesem Jahr gemacht – kontinuierlich von Florida angefangen über die Turniere Hagen, Deutsche Meisterschaft, Aachen und jetzt beim Championat. Das Pferd ist sehr gereift und die Beiden liefern immer sehr schöne, korrekte und nahezu fehlerlose Prüfungen ab, gerade was auch unsere Grundlagen betrifft – wie die Anlehnung – und die Grundgangarten. Das Pferd schwingt durch den Körper, zeigt sehr ausdrucksvolle, schwungvolle Trabverstärkungen, hat einen sehr guten, geregelten Schritt und eine schöne Bergauf-Galoppade. Er setzt sich in den Pirouetten und in Piaff-Passage. Vor allen Dingen in den Piaffen kommt es zu fleißigem Abfußen bei deutlicher Hankenbeugung und getragenem Genick, weder rückständig noch schwankend. Das ist das Resultat von kontinuierlicher, ruhiger, und korrekter Ausbildung. Die Reife und Kraft, die jetzt dazukommt, resultiert in immer mehr Ausdruck. Er hatte in allen drei Prüfungen nur einen Fehler in den Einerwechseln. Das kann passieren. Insgesamt liefert dieses Paar immer zuverlässig und korrekt ab. Und es wäre sicher auch ein sehr gutes Kür-Ergebnis geworden, wenn Frederic nicht einmal falsch abgebogen wäre.

 

© Hippo Foto Media / Dirk Caremans

Quantaz von Isabell (Werth) hat noch nie ein Turnier oder Championat so konstant auf so hohem Niveau gezeigt wie in Riesenbeck. Deutlich gelassener, durchlässiger und entspannter, so dass Isabell die Kür mit vollem Risiko und vielen Höhepunkten zeigen konnte. Es klappte alles. Diese Kür ist so sensationell. Sie hat sie seit einem Jahr, sie klappte auch schon in Omaha beim Weltcup Finale sehr gut, aber es gab immer mal einen Moment der Spannung. jetzt hat es auch mit der Musik auf den Punkt gepasst. Es waren fast vier Prozent mehr als in Aachen. Das ist ein sehr hohes Niveau. Ohne die Leistungen der Medaillengewinnerinnen zu schmälern, Isabell hätte in der Kür eine Medaille verdient. Im Grand Prix hatte das Paar noch einen kleinen Haker in der Zick-Zacktraversale, aber schon der Special klappte fehlerlos. Ich glaube, es ist für viele nachwachsende Reiter eine große Motivation zu beobachten, dass man bis zum Schluss fokussiert bleiben muss und immer versucht, sich zu verbessern. Quantaz hat toll mitgespielt und ich glaube, er war auch ein bisschen stolz. Als die Zuschauer in der Piaff-Pirouette anfingen zu klatschen, war er für einen Moment irritiert, hat aber sofort wieder in den Rhythmus gefunden – große Klasse. Die Piaffpirouetten sind ehrliche Pirouetten, in denen die Vorhand um die Hinterhand wendet und nicht halbe Tritte auf kleinem Kreis. Kein Ausweichen mit der Hinterhand, vorne nicht unterständig, er schwingt vorne ab und der Widerrist kommt hoch – so wie es sein soll.

 

© Hippo Foto Media / Dirk Caremans

• Ja, Jessi (von Bredow-Werndl) und Dalera – das ist ein fantastisches Paar. Wie die Beiden in ihrer Symbiose Dressursport zelebrieren ist wunderbar. Das Pferd ist auch noch mal stärker geworden, es haben sich noch mal Lektionen verbessert wie beispielsweise die Passage, die deutlich ausdrucksvoller und noch durchschwingender ist als im letzten Jahr. Auch in der Galoppade zeigt sie sich mit tieferer Kruppe. Man sieht auch, dass sich Dalera körperlich noch mal verändert hat: sie ist deutlich geschlossener, die Hinterhand arbeitet besser Richtung Schwerpunkt und die Muskulatur der Oberlinie ist ausgeprägter. Das zeigt, dass das Pferd wirklich gut gymnastiziert ist. Das geht nur mit wirklich guter und reeller Grundlagenarbeit. Das phänomenal Gute bei dem Paar ist auch, dass sie sich in- und auswendig kennen und aufeinander hören. Jessi kann die Leistung ohne viel Aufwand auf den Punkt abrufen.

 

Der Ausblick auf Paris
Die Erkenntnisse, die ich in dieser Zeit gesammelt habe, stimmen mich sehr zuversichtlich. Ich weiß, dass wir bei jedem Pferd/Reiter Paar noch manches verbessern können. Und auch, dass noch andere Pferde im Hintergrund sind: Denoix mit Katharina Hemmer, Fendi und Matchball mit Sönke Rothenberger, Destacado mit Matthias. Isabell ist mit ihren nächsten Grand Prix-Pferden auf dem Sprung und Benjamin Werndl mit Famoso. Alle haben eine Chance und wenn noch jemand vom Himmel fällt…herzlich willkommen.”