Rückwärts-Spezialistin Helen Langehanenberg

Elf Pferde hat Helen Langehanenberg bereits für das Finale des Nürnberger Burg-Pokals (NBP) qualifiziert, vier hat sie aufs Podium geritten, 2021 hat sie im Sattel von Straight Horse Ascenzione gewonnen. Und die Mannschafts-Weltmeisterin hält einen NBP-Rekord: Dreimal, so oft wie kein anderer, hat sie im Finale den Sonderehrenpreis für das Rückwärtsrichten erhalten. Seit 2007 wird dieser Sonderehrenpreis ausgelobt, seit 2023 unter dem Namen Decouvoux bestes Rückwärtsrichten.

Foto oben: 2024 gehörte Helen Langehanenberg mit ihrem selbst gezogenen Dreikäsehoch zu den Burg-Pokal-Finalisten in der Festhalle. (©www.sportfotos-lafrentz.de)

Auslöser für dressursport.kim mit der Top-Ausbilderin über die besondere Herausforderung des Rückwärtsrichtens zu sprechen:

dressursport.kim: Rückwärtsrichten – ist das so etwas wie eine Lieblingsübung von Dir?

Helen Langehanenberg: Ich gebe zu, Rückwärtsrichten war früher eher nicht meine Lieblings-Lektion. Ich habe es nicht gerne geritten und hatte auch das Gefühl, ich bekomme es nicht so gut hin. Ich war damit unzufrieden. Nicht selten hatte ich wirklich gute Burg-Pokal-Runden und habe am Schluss beim Rückwärtsrichten Punkte verloren. Das hat mich gefuchst. Also habe ich mich nach dem Motto ‚Übung macht den Meister‘ vermehrt dem Rückwärtsrichten gewidmet.

dressursport.kim: Wie genau hast Du das gemacht?

Helen Langehanenberg: Ich habe es häufiger in mein Training eingebaut. In den Schrittpausen habe ich Halten geübt, mal mit und mal ohne Rückwärtsrichten, damit die Pferde nicht schon von alleine rückwärts treten. Ich baue es auch gerne vor dem Spiegel ein, damit ich wirklich sehen kann: Ist es schnurgerade, ist es wirklich auf der Mittellinie oder ein Stück daneben. Fußt das Pferd breit, oder bleibt es in der Spur? Offensichtlich hat das was gebracht (lacht).

Voraussetzung für ein gelungenes Rückwärtsrichten: geschlossenes, ruhiges Halten.
© www.sportfotos-lafrentz.de

dressursport.kim: Was genau sind die Voraussetzungen, damit Rückwärtsrichten wirklich gelingen kann?

Helen Langehanenberg: Dazu gehört auf jeden Fall ein durchlässiges Pferd, das an den Hilfen steht. Das Pferd muss wissen, wie Rückwärtsrichten funktioniert und was der Reiter gerade von dem Pferd möchte. Und man muss sich Zeit lassen: Anhalten, stehen lassen. Nicht jedes Halten darf mit dem Rückwärtsrichten verbunden werden, das Pferd soll auf die Hilfe warten. Sie sollen das Rückwärtsrichten gerne ‚erahnen‘, müssen aber die Geduld haben, auf die Reiterhilfe zu warten, ob es nun wirklich kommt oder ob es doch nach vorne weitergeht.

dressursport.kim: In welchem Moment der Ausbildung beginnst Du mit dem Rückwärtsrichten?

Helen Langehanenberg: Meistens zwischen vier und fünf Jahren, je nach meinem Gefühl, wie gut die Pferde schon an den Hilfen stehen. Bei den ersten Malen lasse ich mir meist von unten helfen, damit man nicht mit der Hand zu stark einwirken muss. Oder es hat schon mal eine Situation gegeben, in der die Pferde alleine rückwärts getreten sind, dann nehme ich das positiv auf. Die Pferde wissen ja am Anfang nicht genau, was man von ihnen möchte. Sie müssen erst die Chance bekommen, das zu verstehen.

dressursport.kim: Wie hast Du Dir von unten helfen lassen?

Helen Langehanenberg: Meistens steht jemand an der Schulter des Pferdes und berührt es mit der Hand an Brust oder Schulter oder schiebt auch mal ein bisschen, ähnlich wie auf der Stallgasse, wenn man sein Pferd etwas nach hinten auffordert. Ich als Reiterin mache zunächst gar nicht viel. Bei uns gehen die Pferde immer rückwärts in die Putzboxen, so kennen sie das Rückwärtstreten vom Boden aus sowieso schon. Das hilft.

dressursport.kim: Ich nehme an, Du beginnst mit dem Rückwärtsrichten an der Bande?

Helen Langehanenberg: Das hängt davon ab. Wenn die Pferde das Rückwärtssignal spontan willig annehmen, dann ja. Dann ist die Bande eine gute Hilfe, damit die Pferde gerade bleiben. Wenn ich aber ein Pferd habe, das nicht sofort versteht, dass es rückwärts treten soll, dann gehe ich lieber irgendwo in die Mitte der Bahn. Mir ist ja zunächst völlig egal, ob das Pferd krumm oder schief rückwärts tritt, zuerst möchte ich das Verständnis entwickeln. Ohne die Bande haben die Pferde eher die Möglichkeit auszuweichen, das macht es einfacher für sie und für mich ist zuerst wichtig, dass sie verstanden haben, dass sie rückwärts treten sollen. Erst danach achte ich darauf, dass sie das gerade tun. Jedes Pferd hat eine Seite, zu der es lieber ausweicht und dementsprechend unterstütze ich diese Seite dann an der Bande.

dressursport.kim: Die Anzahl der Tritte ist zu Beginn wahrscheinlich auch eher unwichtig?

Helen Langehanenberg: Ja, völlig egal. Ich versuche immer aufzuhören, wenn das Pferd noch willig rückwärts tritt. Ich möchte nicht an die Grenze kommen, an der es die Koordination verliert oder keine Lust mehr hat oder dergleichen, so dass möglichst immer ich das Rückwärtsrichten beende und nicht das Pferd.

dressursport.kim: Kann jedes Pferd rückwärtsrichten lernen?

Helen Langehanenberg: Ich denke ja. Es gibt sicher talentierte und etwas weniger talentierte, auch was das diagonale Rückwärtstreten und das Erhalten des Takts anbelangt. Für einige Pferde ist es auch nicht einfach, das richtige Maß der Tritte zu finden. Wenn sie mit riesigen Tritten rückwärts treten, verlieren sie häufig die Koordination und Balance.

dressursport.kim: Ein häufiger Fehler beim Rückwärtsrichten ist das Abkippen im Genick – warum?

Helen Langehanenberg: Ich glaube, dass sie dann nicht 100-prozentig vor der treibenden Hilfe sind und nicht mehr ganz ehrlich an die Hand herantreten. Letzten Endes treibe ich das Pferd auch beim Rückwärtstreten an die Hand heran. Ich möchte es nicht mit der Hand rückwärts ziehen. Ich treibe es zur Hand, da soll es sich abstoßen und in die Rückwärts-Bewegung kommen. Hinzu kommt, dass es mit ungeduldigen Pferden oft schwieriger ist. Die Pferde kennen irgendwann die Stelle, an der das Rückwärtsrichten vorkommt, wenn sie die Aufgabe ein paar Mal gegangen sind. Pferde sind ja recht schlau. Dann gibt es Pferde, die sind geduldiger und andere greifen dem Reiter mehr vor.

dressursport.kim: Nicht selten sieht man auch Pferde, die kaum abfußen oder die Hufe mehr oder weniger durch den Boden nach hinten ziehen…

Helen Langehanenberg: Damit umzugehen, finde ich noch etwas schwieriger. Ich versuche dann, die Tritte kleiner anzulegen, aber dafür mit mehr ‚Energie‘. Im Grunde bedeutet das, die Pferde noch mehr heranzutreiben, damit die Tritte weniger lang werden. Je länger, umso flacher – das ist mein Empfinden. Aber das ist schwieriger zu korrigieren.

dressursport.kim: Das Rückwärtsrichten in der Burg-Pokal-Aufgabe auf der Schlusslinie – wofür steht das?

Helen Langehanenberg: Es ist auf jeden Fall eine echte Klippe und natürlich noch mal eine Überprüfung der Durchlässigkeit. Das bedeutet nicht: Noch mal ein bisschen rückwärts, dann ‚Gas‘ geben und fertig. Es trennt am Ende der Aufgabe doch nochmal die ‚Spreu vom Weizen‘. Aber: Es ist wie eine Deutsche Meisterschaft für die Sieben- bis Neunjährigen, eine solche Aufgabe muss angemessen anspruchsvoll sein. Das entspannte Stehen und auf die Hilfe warten, gerade in der Finalatmosphäre der Festhalle, hat natürlich auch etwas mit Vertrauen zu tun. Aber die Pferde müssen auch weiterhin mit der Aufmerksamkeit und Konzentration beim Reiter bleiben. Inwieweit das Pferd dem Reiter auch noch auf dieser Schlusslinie zuhört, auch das halte ich für ganz wichtig.

 

Nürnberger Burg-Pokal 2025 und bisherige Quali-Sieger:
1. 23. bis 27. April, Hagen a.T.W.  Charlott-Maria Schürmann auf Life Time FRH – 75,80 %
2. 1. bis 6. Mai, Mannheim Jessica Süß auf Dynoro – 71,48 %
3. 29. Mai bis 1. Juni, München  Laura Strobel auf Alvarinho GV – 74,585 %
4. 12. bis 15. Juni, Balve  Leonie Richter auf Be Sure FRH – 74,415 %
5. 31. Juli bis 3. August, Elmlohe Hannah Laser auf Rod Laver FRH – 74,805 %
6. 14. bis 17. August, Görlitz Beatrice Hoffrogge auf Zuperman OLD – 73,878 %
7. 18. bis 21. September, DarmstadtKranichstein
8. 09. bis 12. Oktober, Guxhagen-Dörnhagen
FINALE: 17. bis 21. Dezember, Frankfurt

Weitere Informationen: www.nuernberger.com/pferdesport

 

Die nächste Etappe:

Von 19. bis 21. September steht in Darmstadt-Kranichstein die siebte Etappe des Nürnberger Burg-Pokals an. Zum fünften Mal ist Darmstadt Gastgeber einer NBP-Etappe.

Weitere Infos gibt es HIER.