“…der Baustein Turnierlandschaft ist wichtig”
“Wenn wir nicht alle aufpassen, funktionieren die anderen Räder im Getriebe auch bald nicht mehr.” Im Gespräch mit Francois Kasselmann über Chancen und Risiken im Turniersport…
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dressursport.kim: Francois, eigentlich war das Herbst-CDI in Ludwigsburg geplant, aber die Behörden vor Ort haben Euch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kurzerhand habt Ihr ‚Ludwigsburg‘ Nach Hagen verlegt und das CDI hier durchgezogen. Warum? Ihr hättet ja auch ein freies Wochenende genießen können?
Francois Kasselmann: Punkt eins ist, dass die Reiter nichts dafür können, dass es mit dem Turnier in Ludwigsburg nicht geklappt hat dieses Jahr. Und die Reiter hatten mit dem CDI geplant. Punkt zwei: Wenn wir keine Turniere machen, dann stagniert auch der Pferdehandel. Wir machen mittlerweile wirklich viele Turniere: acht nationale allein in Ankum, dann Neumünster, Redefin, Horses and Dreams natürlich, ein CDI im Juni, die Future Champions und nächstes Jahr noch ein Para-Turnier in Kombination mit einem CDI – weil es wichtig ist, Turniere zu machen. Mit den Turnieren verdient man kein Geld, aber Turniere sind die Plattform für den Sport. Und wir müssen uns nichts vormachen: der Turnierkalender wird immer dünner. Wenn wir nicht alle aufpassen, funktionieren die anderen Räder im Getriebe auch bald nicht mehr.
dressursport.kim: Rennt uns das Ausland mit Blick auf Turnierveranstaltungen weg?
Francois Kasselmann: So würde ich es nicht sagen. Nehmen wir zum Beispiel Matthias Rath mit seinem Team, die engagieren sich beispielsweise auch unheimlich auf Veranstalterseite, aber es ist eine kostspielige Nummer: die ganzen Gebühren, die man an die FN und die FEI zahlen muss, dazu kommen die Mitarbeiter. Wir haben auf unseren Turnieren keine ehrenamtlichen Helfer, das sind alles Angestellte, die ordentlich bezahlt werden. In Hagen haben wir das große Plus, dass wir die Örtlichkeiten praktisch rund ums Jahr gegeben haben, deshalb war die Verlegung des Ludwigsburger Turniers für uns recht einfach.
dressursport.kim: Mit Blick auf Euren eigenen Veranstaltungskalender: Seid Ihr ausgebucht oder ist es denkbar, dass noch das ein oder andere Event hinzukommt?
Francois Kasselmann: Ich möchte es so sagen: Wenn sich noch die ein oder andere Veranstaltung auftut, vielleicht auch in Zusammenarbeit mit dem Ausland, ist das sicher noch vorstellbar. Da gibt es schon Gedanken für ein größeres Event im Ausland, aber mehr können wir dazu noch nicht sagen.
dressursport.kim: Werfen wir einen Blick auf den dressursportlichen Turnierkalender in Deutschland übers Jahr – wie beurteilst Du die Situation?
Francois Kasselmann: Wir haben ein kleines internationales Loch im Frühjahr, über den Sommer geht es gut weiter mit Turnierklassikern wie München, Wiesbaden und Hamburg, danach wird es schon wieder etwas zäh, da könnten wir noch das ein oder andere Turnier gebrauchen. Deutschland ist immer noch das Pferdemekka Nummer eins, aber gucken wir mal nach Holland rüber, zum Pferdesportzentrum in Peelbergen. Die haben ein Super-Konzept auch im nationalen Bereich – sie machen dort verbandslose Turniere. So spart man natürlich eine Menge Gebühren.
dressursport.kim: Fehlt uns ein Zentrum wie Peelbergen in Deutschland?
Francois Kasselmann: Absolut! Bessere Gegebenheiten kann man sich nicht vorstellen. In die Abreitehalle gehen vier Vierecke, dazu kommen zwei Prüfungsplätze. Es ist alles da, einfach aufschließen und los geht’s.
dressursport.kim: Wäre das auch ein Gedanke für Euch?
Francois Kasselmann: Das war tatsächlich mal angedacht, aber dann kam auch Covid dazwischen, Covid hat die Turnierlandschaft ein Stück weit ‚bereinigt‘ und wir haben in den Covid-Jahren sehr viel Geld beigesteuert, sehr viel. Aber: der Baustein Turnierlandschaft ist wichtig und wenn wir das nicht gemacht hätten, hätte wahrscheinlich vieles stagniert – nicht nur für uns, sondern für alle, die mit Pferden zu tun haben. Im Grunde hätte man sich noch mehr Schulterschluss aller Betroffenen gewünscht. Kommen wir zurück zu Peelbergen: Das ist ein Zusammenschluss aus verschiedensten Handelsställen, die zusammen ein Fundraising betrieben und zusammen die Anlage finanziert haben. Zusammen kann man einiges erreichen.
dressursport.kim: Wie sieht Dein Blick in die Zukunft aus?
Francois Kasselmann: Ich glaube, der Reitsport hat in den nächsten Jahren eine unwahrscheinliche Chance. Wir haben super Bilder, wir müssen mit dem Thema Welfare of the Horse umgehen, dürfen es aber nicht überreizen. Soll heißen: Der Sport wird nach außen schlechter dargestellt, als er ist. Eine große Chance liegt darin, dass der Reitsport unheimlich global geworden ist. Vielleicht wird es mehr in die Richtung gehen wie im Fußball, dass wir bald nicht mehr ‚nur‘ auf deutsche Sponsoren bauen, sondern auch auf asiatische. Das ist möglich, da tut sich was. Aber: Wir müssen uns anstrengen und globaler öffnen.
dressursport.kim: Werfen wir noch einen kurzen Blick nach Amerika. Da sieht die Turnierlandschaft noch mal anders aus…
Francois Kasselmann: In Amerika ist der Turniersport ein Bezahl-Sport. Das wollen wir sicher nicht, aber ich sehe es auch aus Veranstaltersicht, ich habe ja beide Brillen auf: Die mit dem Blick auf die Kosten der Pferdehaltung und auf die im Eventbereich. Ich möchte auch nicht für jeden Start horrende Summen bezahlen, aber mit der Explosion der Kosten für die Veranstalter sehe ich kaum noch eine andere Möglichkeit. In Amerika zahlt man für einen Test of Choice-Start inklusive Box für einen Tag 350 US-Dollar, das sind 330 Euro für eine Sechs-Minuten-Aufgabe. Wenn man 20 Starter hat, hat man schon mal ein paar Grundkosten von dem Tag gedeckelt. Noch einmal: Das ist für uns nicht das Ziel und das würde in dem Maß hier in Deutschland auch nicht funktionieren, aber wir müssen aufpassen, dass die Reise nicht immer weiter in diese Richtung geht bzw. gehen muss. Die gestiegenen Kosten, die hohen Gebühren sind ja auch nicht zuletzt der Auslöser dafür gewesen, dass unsere Nachbarn mit verbandslosen Turnieren angefangen haben.