Reiter zu Richtern – per Fast-Track
„Wie bekommt man mehr Reiter an die Richtertische?“ Das war der Grundgedanke, der in der Deutschen Richtervereinigung (DRV) diskutiert wurde. Sieben Absolventen haben jetzt die erste Fast-Track-Pilotprüfung absolviert und top Prüfungen abgelegt.
Ein kurzer Überblick im Vorfeld
Aktuell gibt es ein zweistufiges Säulen-Modell in der Richterausbildung:
• Richter-Grundprüfung Dressur und Springen auf L-Niveau – danach muss man die Richterleiter nach und nach nach oben klettern
• Ist man im Besitz des Goldenen Reitabzeichens kann man in der jeweiligen Disziplin nach der Grundprüfung sofort auch M-Prüfungen richten.
Die Idee des genannten Trios war die Erweiterung dieses Modells um zwei weitere Säulen:
• Den Fast-Track für besonders erfolgreiche Reiter – Voraussetzung: dreimal mindestens 68 Prozent in einer internationalen Grand Prix-Prüfung
• Die Möglichkeit, auch an reiterliche Erfolge geknüpft, nur Dressur- oder nur Springrichter zu werden.
Henning Lehrmann, Leiter des Fachausschusses Dressur beim DRV, über neue Ideen bei der Richterausbildung…
dressursport.kim: Der genannte Fast-Track für erfolgreiche Reiter – wie sieht der aus?
Henning Lehrmann: Diese Reiter können zuerst die Grundprüfung ablegen und direkt zwei Wochen später ihre S-Prüfung, allerdings rein dressurspezifisch. Die ersten Pilot-Prüfungen der ‚Fast-Tracker‘ haben wir in den vergangenen zwei Wochen in Warendorf durchgeführt. Alle Sieben haben mit sehr guten Noten bestanden. Und eins möchte ich betonen: Ihnen wurde nichts geschenkt! Sie sind bei der Grund- und bei der S-Prüfung von insgesamt zehn verschiedenen Prüfern geprüft worden, im praktischen und theoretischen Teil und waren wirklich top vorbereitet.
dressursport.kim: Was spricht überhaupt dafür, mehr Reiter an Richtertische zu bekommen?
Henning Lehrmann: Es gibt natürlich Richter, die nicht so erfolgreich geritten sind, aber ein gutes Auge haben. Und es gibt auch sehr gute Reiter, die nicht das beste Auge zum Richten haben. Aber: Die Chance, das richtig gute Reiter auch erkennen und analysieren können, ist sehr groß. Zu Beginn des Pilotprojektes gab es durchaus viel Skepsis – von den Landesverbänden, von der FN und auch von einigen Richterkollegen. Nicht selten fiel das Argument, dass dieser verkürzte Weg ungerecht den anderen gegenüber sei, die den langen Weg gehen mussten. Ich denke, wir sollten froh sein, wenn wir noch mehr gute Reiter als Richter zur Verfügung haben. Außerdem kann das nur zu weiter besserem Verständnis zwischen Reitern und Richtern beitragen. Sehr oft haben wir in den vergangenen Monaten von den Fast-Trackern Sätze gehört wie: ‚Meine Güte ist richten anstrengend.‘ oder ‚Ich hätte nicht gedacht, wie schwierig das ist.‘. Als ‚Nebenprodukt‘ haben übrigens auch einige der Kandidaten gesagt, dass ihnen der neue Blickwinkel als Richter auch schon den ein oder anderen Tipp für das eigene Reiten gebracht habe.
dressursport.kim: Wie ist der ‚Ball‘ ins Rollen gekommen?
Henning Lehrmann: Wir haben erst einmal versucht, Reiter zu finden, die sich dafür interessieren. Das Vorschlagsrecht für geeignete Kandidaten lag einerseits beim DRV, andererseits bei den Landesverbänden. Das Gros, der von uns angesprochenen Reiter, fand das eine richtig gute Idee. So hatten wir relativ bald 30 Kandidaten auf der Liste der Interessenten. Wir hatten gehofft, dass zehn Prozent am Ende wirklich für die Prüfung übrig bleiben, jetzt hatten wir mehr als 20 Prozent und die waren allesamt top bei ihren Prüfungsleistungen – das ist ein super Ergebnis. Keiner von denen hat es auf die leichte Schulter genommen. Sie haben sich richtig angestrengt und waren wirklich, auch in der Theorie, super vorbereitet. Das hat allen Prüfern richtig Spaß gemacht.
dressursport.kim: Wie haben sich die Fast-Tracker auf ihre Prüfungen vorbereitet?
Henning Lehrmann: Sie mussten beim Richten beisitzen in Dressurreiter- und Dressurpferde-Prüfungen, in Dressurprüfungen Klasse E bis S, sie mussten zweimal bei der Abreiteplatz-Aufsicht dabei sein und ein Shadow-Judging absolvieren, das von einem Gutachter beurteilt wurde. Sie mussten außerdem bei mehreren Online-Seminare zu verschiedenen theoretischen Themen mitmachen wie alles rund um die LPO oder zum Thema Kür-Richten etc. Na, und dann mussten sie lernen und das haben sie auch getan.
dressursport.kim: Fast-Track macht klar: Es geht um Zeit. Um welche Zeitgrößen geht es in etwa?
Henning Lehrmann: Ein Beispiel: Ich habe zehn Jahre gebraucht, um nationaler Grand Prix-Richter zu werden – und damit war ich schnell. Unsere sieben Kandidaten haben innerhalb eines Jahres alle Voraussetzungen mit Beisitzen und Shadow-Judging erfüllt und jetzt die S-Richter-Prüfung abgelegt. Wenn sie weiter Gas geben, könnten sie innerhalb der nächsten zwei Jahre nationale Grand Prix-Richter werden. Ab jetzt würden sie weiter den normalen Weg gehen, das ist auch richtig so, man braucht diese Erfahrung.
dressursport.kim: Pilotprojekt Fast Track ist also geglückt – wie geht es jetzt weiter?
Henning Lehrmann: Wir bieten im November noch einmal die Prüfungen, Grund- und S, für Fast-Tracker an, danach ist das Pilotprojekt erst mal gestoppt. Ich könnte mir vorstellen, dass wir dann wieder eine nächste Prüfung dieser Art in drei Jahren anbieten, wenn genug neue Interessenten da sind. Das kann man nicht jedes Jahr machen.
dressursport.kim: Die vierte Säule, die Möglichkeit nur Dressur- oder nur Springrichter zu werden. Was steckt dahinter?
Henning Lehrmann: Wir sind das einzige Land auf der Welt, in dem man in der Grundprüfung beides machen muss. Das allein ist sicher nicht Argument genug, wir brauchen auch Generalisten. Andererseits hat sich die Turnierlandschaft verändert, es gibt immer mehr Vereins- oder Club-Turniere, bei denen nur Dressur oder nur Springen geritten wird. Zudem spezialisieren sich Reiter heute immer früher auf eine Disziplin, im Umkehrschluss tauchen sie noch weniger in die andere Disziplin ein. Und: Es fehlen besonders viele Richter im Springbereich, aber Springreiter haben oft keine Lust sechs Abteilungen A-Dressur zu richten – nur als Beispiel. Deswegen sind wir vom DRV der Meinung, dass wir unser System öffnen und die beiden bestehenden Säulen um die vorgeschlagenen beiden erweitern sollten. Noch einmal sei betont: Man muss nicht zwanghaft erfolgreich geritten sein, um ein guter Richter zu sein, aber die Chance, dass jemand, der schon 1.000 Pirouetten geritten, seinen Schülern erklärt und sie analysiert hat, dass der auch das Auge für die Beurteilung einer Pirouette im Viereck hat, ist definitiv größer als bei jemandem, der noch nie eine Pirouette selbst gefühlt und analysiert hat.