„Ich bin alles in einem…“

Viele Pfleger sind nicht ‚nur‘ Pfleger. In ihnen stecken Coaches, Mentalstützen und Freunde. Ein Paradebeispiel für eine solche ‚Alles in allem-Person‘ ist Lars Ligus, lange nicht ‚nur‘ der Pfleger von Frederic ‚Freddy’ Wandres.

Wie kam Lars in Freddys Ohr? Ein Paar im Beruf und privat – schwieriger oder einfacher? Der Weg ins Riesenbeck-EM-Team … dressursport.kim im Gespräch mit Lars Ligus – Teil 1:

 

dressursport.kim: Man kennt Dich von den Turnieren als ‚Pfleger von Freddy‘, aber Du bist in erster Linie als Bereiter bei Kasselmann angestellt und nicht als Groom…

Lars Ligus: Ja genau, ich habe meine Berittliste mit 15 Pferden, so wie Freddy auch, und habe einen Pfleger, der glücklicherweise auch reiten kann. Wenn ich also mit Freddy auf den Turnieren bin, reitet mein Pfleger die Pferde. Aber mein täglicher Beruf ist das Reiten.

dressursport.kim: Wer oder was genau bist Du, wenn Du mit Freddy auf Turnieren unterwegs bist? Groom? Coach? Lebensgefährte?

Lars Ligus: Da bin ich alles in einem (lacht) – seelische Unterstützung, Pfleger und wenn Moni (Monica Theodorescu) oder Jonny (Hilberath) nicht da sind, dann bin ich auch der, der das Coach-Phone auf dem Abreiteplatz im Ohr hat.

dressursport.kim: Wie hat sich das entwickelt, dass Du ziemlich häufig bei Freddy im Ohr sitzt? Mit ihm auf die Turniere fährst?

Lars Ligus: Das erste Mal, dass ich mit Freddy zum Turnier gefahren bin, war das erste Weltcup-Turnier mit Duke im polnischen Zakrzow im Oktober 2018. Kurz vorher bin ich vom Pferd gefallen und war verletzt. Als es dann um die Frage ging, wer mit Freddy nach Zakrzow fährt – am besten jemand mit Führerschein, damit er nicht allein so weit fahren muss – fiel die Wahl schnell auf mich. Ich konnte durch die Verletzung sowieso gerade nicht reiten und sein damaliger Groom hatte keinen Führerschein. Vor Ort hat das dann ganz gut geklappt: Duke und Freddy haben mit fast 80 Prozent die Weltcup-Kür gewonnen. Danach haben wir gesagt: ‚Never change a winning team‘. Seitdem fahre ich mit und Gott sei Dank zieht auch Familie Kasselmann voll mit. Das kann man sicher nicht in jedem Stall machen, dass immer ein Bereiter mit aufs Turnier fährt, aber wir haben ein paar Argumente auf unserer Seite (lacht): Sie sparen Hotelzimmer-Kosten, wenn Freddy und ich zusammen unterwegs sind, und ich bin mehrere Personen in einem: Pfleger, Fahrer und gegebenenfalls auch Coach. Und in diesem Team sind wir bis in den Olympia-Kader und bis zur WM gewachsen.

dressursport.kim: Bis in den Olympia-Kader – das ist ein langer Weg. Wie hast Du diesen Weg bisher erlebt?

Lars Ligus: Diese Reise, die Duke uns ermöglicht hat und immer noch ermöglicht, das ist unglaublich. Als wir angefangen haben, war Duke ein nettes Pferd, das immer seinen Job macht. Aber gerade in den vergangenen zwei Jahren hat er noch einmal so einen Schub gemacht und ständig die Konstanz hält oder sogar noch besser wird – das ist schon wirklich beeindruckend. Letztes Jahr hatte ich das Gefühl, dass Duke Bluetooth zeigen möchte, dass er hier aber der Boss ist und dann hat er noch mal draufgelegt. Natürlich, wir haben Tiefen und Höhen erlebt, wie das so ist, aber ich bin sehr froh, dass wir das so erleben dürfen.

dressursport.kim: Ihr Beide seid ja nicht ‚nur‘ ein Team im Job, sondern auch privat ein Paar – macht das Euren Arbeitsalltag eher schwieriger oder vereinfacht es Vieles?

Lars Ligus: Es ist natürlich super, dass wir alles zusammen machen können – egal, wo auf der Welt wir unterwegs sind. Sonst hätten wir sehr wenig Zeit miteinander. Das ist ein riesiges Glück. Wenn ich Freddy Unterricht gebe, das geht auch gut, aber wenn er mir Unterricht gibt, dann kann es auch mal lauter werden (lacht). Ich habe das Gefühl, er meint es besonders gut mit mir. Ich denke häufiger, das war jetzt aber gut. Und dann kommt von ihm ‚Nein, das war nicht gut genug, noch mal.‘ Aber ich darf auf keinen Fall während des Trainings bei ihm ‚zurückreden‘. Das mag er gar nicht leiden. Er will einfach auch aus mir und meinen Pferden das Beste rausholen. Und am Ende weiß ich, dass er recht hat und ich ein Riesenglück, dass ich auf seine Expertise zurückgreifen kann.

dressursport.kim: Wer ist der ‚Coolere‘ von Euch Beiden, bevor es ins Viereck geht?

Lars Ligus: Ich glaube, das bin ich. Ich bin etwas gelassener, aber ich weiß ja auch, worum es bei Freddy geht. Gerade unter Druck hat er aber auch schon sehr oft bewiesen, dass er abliefern kann. Bei mir geht es nicht um den Einzug in eine EM oder WM oder ähnliches. Und dadurch, dass ich schon so viele Grand Prixs miterlebt, gesehen und beim Training zugehört habe, fühlt es sich so an, als ob ich schon ganz viele Grand Prixs selbst geritten hätte, dabei waren das noch gar nicht so viele. Das ist für mich ein supergroßer Vorteil.

dressursport.kim: Ein Blick zur Europameisterschaft in Riesenbeck – der Weg ins Team war anders als im vergangenen Jahr…

Lars Ligus: Diese Saison hatten wir natürlich das Riesenglück, dass wir zwei Pferde haben, die sich in Balve und Aachen ein Kopf an Kopf-Rennen geliefert haben. Den einen Tag war der besser, den anderen Tag der andere. Das nimmt etwas den Druck von einem selbst, aber auch von dem speziellen Pferd, weil man weiß: Man hat noch ein Backup. Duke bringt immer seine konstante Leistung auf top Niveau, aber ich freue mich auch für Bluetooth, das er sich so entwickelt hat, dass er auch mit den ganz Großen mitgeht – und er hat bewiesen, dass er das jetzt kann.

dressursport.kim: In Kürze: Was macht die Beiden aus?

Lars Ligus: Duke ist im Lauf der vielen Jahre ein richtiger Kumpel geworden. Er ist happy mit sich selbst und freut sich immer, wenn wir kommen. Und Bluetooth – ich möchte ihn nicht arrogant nennen (lacht) – aber er weiß schon, dass er jetzt da oben mitläuft. Er ist der etwas selbstbewusstere Typ. Er geht mit Dir spazieren und nicht anders herum.

dressursport.kim: Freuen sich die Pferde mehr, wenn Du kommst oder wenn Freddy kommt?

Lars Ligus: Freddy hat schon einen sehr speziellen Bezug zu seinen Pferden. Er geht auf sicher, dass er die Nummer eins bei den Pferden ist.

dressursport.kim: Eine Frage fehlt: Die nach dem speziellen Glücksbringer?

Lars Ligus: Emma (Kasselmann) hat uns für jedes Pferd selbst einen eigenen Glücksbringer aus Perlen mit Buchstaben gebastelt – immer mit dem Namen des jeweiligen Pferdes und die hat Freddy immer in seiner Tasche einstecken. Egal, mit welchem Pferd er aufs Turnier fährt, er hat immer den passenden Glücksbringer in seiner Hosentasche.

Ausblick – in Teil 2 mit Lars Ligus:

Wie kam er ans Pferd – trotz vier nicht-reitender Schwestern? Was kann ein Andalusier-Pinto-Mix auslösen? Was hat Lars von Freddy gelernt – und andersherum? Wer ist der bessere Tetris-Spieler? Und: Warum es manchmal gut ist, dass Freddy schläft…

Foto: Forado